Zürichs verborgene Schätze aus der Vergangenheit: Ein Blick ins Staatsarchiv

Von Darius Calin & Vito Noser / Kantonsschule Hohe Promenade / November 2025

 

Zwischen staubigen Akten, jahrhundertealten Bauplänen und kilometerlangen Regalen arbeitet das Staatsarchiv Zürich täglich daran, die Vergangenheit für die Zukunft zu bewahren. Doch was geschieht genau in diesem versteckten Gebäude am Irchel?

Bild : zh.ch

Wer das Staatsarchiv Zürich betritt, taucht in eine andere Welt ein. Eine Welt, in der jedes Blatt Papier Teil einer grösseren Geschichte ist: der Geschichte des Kantons Zürich.

Das Archiv befindet sich versteckt am Irchel, doch seine Bedeutung ist enorm. Seit 1832 werden hier wichtige Dokumente verwahrt, von Steuerakten bis zu medizinischen Unterlagen, von Bauplänen bis zu politischen Beschlüssen.

Verena Rothenbühler, Archivarin des Staatsarchivs, sagt: «Das Staatsarchiv dient als endgültiger Aufbewahrungsort für ausgewählte Dokumente aus dem gesamten Kanton, nicht nur aus der Stadt Zürich»

Hier landen vor allem Unterlagen von kantonalen Einrichtungen wie dem Steueramt, Notariat oder den Spitälern, allerdings erst nach einer gewissen Zeit, medizinische Dokumente zum Beispiel erst nach etwa 30 Jahren. Und einmal aufgenommen, bleiben die Dokumente für immer dort. Verena Rothenbühler sagt: «Was einmal archiviert ist, wird nicht mehr aussortiert.»

 

Urkunde von 853

Wer durch die leeren Gänge des Archivs wandert, ahnt kaum, welche historischen Kostbarkeiten sich hier verbergen. Besonders stolz ist das Staatsarchiv auf seine älteste Urkunde: ein Pergament vom 21. Juli 853, ausgestellt von König Ludwig, der darin dem Fraumünster Besitzrechte überträgt. Dieses Dokument ist nicht nur ein Stück Papier, es ist ein direkter Blick in die Frühgeschichte Zürichs, geschrieben in einer Zeit, in der es die Schweiz, wie wir sie heute kennen, noch gar nicht gab.

Daneben lagern in den gut geschützten Räumen unzählige Urkunden und Dokumente aus dem Mittelalter, die bis ins 14. und 15. Jahrhundert zurückreichen. Siegel mit eingedrückten Wappen zeugen von Macht, Vertrauen und Rechtsprechung vergangener Zeiten. Besonders eindrücklich sind die Baupläne und Stadtansichten, die zeigen, wie Zürich über die Jahrhunderte gewachsen ist. Eines der ältesten und bekanntesten Werke stammt von Jos Murer aus dem Jahr 1576, ein sehr detailliert gezeichneter Stadtplan, der sogenante Murerplan, der immer noch als Sensation gilt.

 

50 Kilometer Regale im Staatsarchiv

Wer die Regale aneinanderreihen würde, käme auf rund 50 Kilometer –eine unvorstellbare Länge. Hier findet sich fast alles, was Zürichs Behörden je zu Papier gebracht haben: Gesetze, Protokolle, Gerichtsurteile, Baugesuche und Verträge.

«Die Sammlung wächst ständig», erzählt Rothenbühler. «Darum achten wir sehr genau darauf, nur das aufzunehmen, was wirklich archivwürdig ist.» Fachpersonen prüfen die Unterlagen nach präzisen Kriterien – ein Vorgang, der im Archivwesen «Überlieferungsbildung» genannt wird.

Doch trotz der Menge geht es im Staatsarchiv nicht nur um Zahlen. Es geht um Geschichte. Jede Akte erzählt ein Stück menschlicher Realität: ein verlorener Prozess, ein neues Schulhaus, ein Streit um ein Grundstück. So entsteht aus einzelnen Dokumenten das grosse Bild einer Gesellschaft.
Grundsätzlich darf jede und jeder Einsicht nehmen. Allerdings sind manche Akten geschützt: Das Datenschutzgesetz schreibt vor, dass persönliche Daten erst nach 120 Jahren eingesehen werden dürfen. Vor allem medizinische und psychiatrische Unterlagen bleiben so lange verschlossen.

Bild : zh.ch

Digitale Form der Aufbewahrung

Während die ältesten Stücke auf Pergament geschrieben sind, denkt das Archiv längst digital. Immer mehr Akten entstehen nur noch elektronisch und auch sie müssen dauerhaft gesichert werden. Doch digitale Daten sind empfindlich: Formate ändern sich, Server veralten. Die Frage, wie man Informationen für Jahrhunderte bewahrt, beschäftigt die Mitarbeitenden täglich.

Das Staatsarchiv Zürich ist mehr als ein Ort für Historikerinnen und Beamte. Es ist das Gedächtnis eines ganzen Kantons, ein stiller Zeuge von Macht, Fortschritt und Wandel. Zwischen alten Papieren und neuem Wissen zeigt sich hier, was Erinnerung bedeutet: nicht Stillstand, sondern Verantwortung gegenüber der Zukunft.

Denn wer die Vergangenheit bewahrt, schützt auch das, was morgen wichtig sein wird. Und vielleicht liegt genau darin der grösste Schatz des Staatsarchivs, nicht in den alten Urkunden, sondern in der Haltung, nichts verloren gehen zu lassen.

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