Rückkehr der Benin-Bronzen – eine komplexe Geschichte

Von Jeanne Zobrist & Laura Kienle / Kantonsschule Hohe Promenade / November 2025

 

Forscherinnen und Forscher der Benin-Initiative Schweiz haben entdeckt, dass ein grosser Teil ihrer Benin-Bronzen aus Nigeria stammt. Die Rückgabe muss gut vorbereitet werden. Doch sie wirft zahlreiche juristische und organisatorische Fragen auf.

 

Völkerkundemuseum. (Bild: Laura Kienle)

 

Ein Reiter auf einem Tier. Dieses erinnert stark an ein Pferd. Gegossen aus Messing und Bronze. Einige Ethnologinnen und Ethnologen vermuten, dass es sich bei der dargestellten Person um den Begründer der Ọba-Dynastie im heutigen Nigeria handelt. Andere wiederum nehmen an, dass es jemand sei, der nicht aus dem Königreich Benin stammt. Diese Reiterfigur ist eine der 18 sogenannten «Benin-Bronzen», die im Völkerkundemuseum bis Anfang März 2026 ausgestellt ist.

Auf eine Restitutionsforderung aus Benin hin hat sich das Völkerkundemuseum bereits weitgehend für eine Rückgabe der Benin-Bronzen entschlossen, was allerdings auch einige Probleme und Fragen aufwirft. Der Afrika-Kurator Alexis Malefakis hat zu einigen dieser Fragen Stellung bezogen.


Der Weg der Benin-Bronzen in die Schweiz

Benin-Bronzen galten im alten Benin als spirituell. Sie hatten aber auch eine politische Bedeutung und dokumentierten wichtige historische Ereignisse.

Ihre Geschichte beginnt im Jahr 1897, als britische Kolonialtruppen in Benin einmarschierten und dort den Königspalast plünderten. Sie entwendeten rund 10.000 Objekte, die aus Bronze, Elfenbein, Messing oder Holz bestanden. Die gestohlenen Kunstobjekte wurden nach England gebracht, wo sie versteigert oder auf dem Kunstmarkt verkauft wurden.

Auch der Zürcher Kunstsammler Han Coray erwarb Anfang des 20. Jahrhunderts verschiedene afrikanische Artefakte. Nachdem er 1931 Konkurs anmelden musste, beschlagnahmte die damalige Schweizerische Volksbank 18 Benin-Bronzen und verkaufte diese 1940 der einstigen «Sammlung für Völkerkunde» der Universität Zürich.

Uhunmwu-Elao, ein Gedenkkopf.

Aken’ni Elao, ein Altarstosszahn. (Bilder: Jeanne Zobrist)

Aufklärung der Herkunft

Die Provenienzforschung spielt bei der Rückgabe der Benin-Bronzen eine zentrale Rolle. Sie befasst sich mit der Herkunft und den Besitzern von Objekten und zeigt auf, wie diese in die Museen gelangt sind. Acht Schweizer Museen, darunter auch das Völkerkundemuseum Zürich, haben sich nun in der BIS (Benin-Initiative Schweiz) zusammengeschlossen, um gemeinsam mit Nigeria die Herkunft seiner Benin-Sammlungen zu erforschen.

Das Völkerkundemuseum Zürich hat sich intensiv mit seiner eigenen Sammlung auseinandergesetzt und entdeckt, dass von seinen 18 Benin-Bronzen 14 gestohlen worden sind. «Diese 14 Exemplare sollen nun Nigeria zurückgegeben werden», sagte Alexis Malefakis.

Es ist den Beteiligten des Völkerkundemuseums ein Anliegen, sich ihrer Verantwortung zu stellen, wie Malefakis bei einem Interview mit der UZH gesagt hat. Mit der Forschung zur Provenienz will das Völkerkundemuseum Transparenz schaffen und sich den mit dem damaligen Raub verbundenen grundsätzlichen ethischen Fragen heute stellen: Wem gehören diese Objekte?

Rechtliche Fragen

«Die Objekte werden nicht an Nigeria verkauft, sondern im Grunde unentgeltlich herausgegeben. Dazu muss ein rechtlich verbindlicher Vertrag ausformuliert werden», sagte Malefakis.

Nigerias ehemaliger Staatspräsident Muhammadu Buhari übertrug im März 2023 die Eigentumsrechte sämtlicher Benin-Bronzen an Oba Ewuare ll., den Nachfolger der Könige in Benin. Die NCMM (National Commission for Museums and Monuments), die Museumsbehörde der Bundesrepublik Nigeria, hat eine Restitutionsforderung gestellt. An sie werden die Objekte übergeben, wobei sie mit Oba Ewuare II. zusammenarbeitet, da er die zentrale Autorität für diese Kulturgüter ist.

Trotzdem gibt es kritische Stimmen, die gegen eine Rückgabe der Benin-Bronzen sprechen. Sie meinen, dass die Nachfahren der ehemaligen Sklavenhändler dadurch profitieren würden. Die Skulpturen wurden aus Metall gefertigt, welches lokale Herrscher im Austausch gegen die versklavten Menschen erhielten.

Des Weiteren wird angemerkt, dass die Sicherheits-, Konservierungs- und Präsentationsstandards in Nigeria nicht angemessen sind. Zudem wird der Wunsch geäussert, dass die Ausstellungsprojekte für die ganze Diaspora zugänglich sein sollten, und dies ist durch die Verschiffung der Kunstwerke nach Nigeria erschwert.


Wer trägt die Verantwortung?

Malefakis sagte: «Wer im Besitz gestohlener Kulturgüter ist, sollte meiner Meinung nach proaktiv nach einer Möglichkeit suchen, diese an den rechtmässigen Eigentümer zurückzugeben.»

Νun stellt sich die Frage, wer für die Rückgabe der Benin-Bronzen und den gesamten Prozess verantwortlich ist. «Da die Sammlung des Museums Eigentum der Universität ist, kann die Direktion nicht eigenmächtig darüber verfügen, Kulturgüter aus dem Inventar des Museums herauszugeben. Über eine mögliche Rückgabe entscheidet daher die Universitätsleitung.», sagte Alexis Malefakis.


Die Rückgabe hat ihren Preis

Provenienzforschung, Zusammenarbeit mit Partnern in Nigeria, der Transport der Objekte nach Nigeria – alles das kostet Geld. Diese Kosten müssen gedeckt werden. Malefakis sagte: «Für ein kleines Universitätsmuseum wie das Völkerkundemuseum Zürich ist das eine grosse finanzielle Belastung.» 


Ein neues Kapitel beginnt

Zum Schluss kann man sagen, dass die Diskussion um die Rückgabe der Benin-Bronzen zeigt, dass die koloniale Geschichte bis in die Gegenwart Einfluss nimmt. Die Benin-Bronzen stehen für die kulturelle und historische Verbindung zwischen Nigeria, der afrikanischen Diaspora und der Schweiz. Ihre Rückgabe ist das Ende eines Kapitels, aber auch der Beginn eines neuen Abschnittes im Umgang mit der kolonialen Vergangenheit.

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