Das Militär: Frauen in der Truppe
Von Lena Rackwitz & Olivia Schmid / Kantonsschule Limmattal / November 2025
Ein Nachmittag in der Kaserne zeigt uns, wie Frauen den Militärdienst in der Schweiz erleben. Uns zeigen drei Rekrutinnen, dass das Militär mehr bedeutet als nur Uniform und Gewehr. Sie erklären, wie sie in einer männlich geprägten Welt Selbstbewusstsein finden.
Ausrüstung und Gewehre liegen bereit für die nächste Übung (Foto: Eigene Aufnahme)
Erste Eindrücke
Um 13:30 werden wir von A.T. in Arbeitskleidung empfangen. Er ist im Berufsmilitär, und wird uns die Kaserne in Birmensdorf zeigen. Zuerst sind wir etwas ängstlich, denn wir wissen nicht genau, was uns erwartet, doch dies erledigt sich durch die angenehme Stimmung.
Eine kühle Herbstbrise weht, und wir sehen schon die ersten Rekruten und Soldaten, die ihren Dienst leisten. Es ist ruhig und konzentriert, aber nicht bedrückend.
Mit A.T. machen wir uns nun auf den Weg zur Turnhalle, wo wir drei Frauen aus der Rekrutenschule treffen. Wir sind hier, weil es uns interessiert, wie Frauen den Militärdienst erleben. Denn wir sind selbst zwei junge Frauen und es ist aktuell auch ein umstrittenes Thema – darauf kommen wir später noch.
Olivia S. und Lena R. mit zwei Rekrutinnen (Foto: Eigene Aufnahme)
Von den drei Rekrutinnen werden wir freundlich begrüsst und gemeinsam beginnen wir, die Kaserne genauer anzusehen.
Politischer Stand der Schweiz
In der Schweiz können Frauen derzeit freiwillig in der Armee Dienst leisten. Für sie gelten dabei die gleichen Regeln, Pflichten und Ausbildungsstandards wie auch für Männer. „Man trägt das gleiche und macht gleich viel Sport. Man wird eigentlich ganz gleichbehandelt.», sagt einer der Rekrutinnen mit der wir später sprechen. Die anderen stimmen ohne zu zögern zu. Auch gilt eine Chancengleichheit in Bereich der Karrieremöglichkeiten in der Armee: Frauen können alle Funktionen übernehmen. Dennoch liegt der Anteil aller Frauen momentan bei 1,6 %, 0.2 % mehr als im Vorjahr: aber immer noch stark untervertreten. Das Ziel bis 2030 ist es, den Anteil der Frauen auf 10 % zu erhöhen.
Um dies zu erreichen, plant der Bundesrat, die Orientierungstage für Armee und Zivilschutz obligatorisch für junge Frauen zu machen. Dabei sollen die Frauen einen Einblick erhalten und sich selbst eine eigene Meinung zum Militärdienst bilden. Viola Amherd und das VBS sehen darin einen wichtigen Schritt in Richtung Chancengleichheit. Der Bundesrat versucht einen zweiten Anlauf zu starten für die Verfassungsänderung, um die Orientierungstage obligatorisch zu machen. Ein ähnliches Vorhaben im Jahr 2018 scheiterte am Widerstand der Kantone.
«Man macht Sachen, die man sonst nicht machen würde»
Zurück zu unserem Besuch in der Kaserne: Nachdem wir begrüsst werden, gehen wir in die Sporthalle. Dort wird gerade ein Sporttest durchgeführt. Dieser wird nämlich vor, während und nach der Rekrutenschule mehrmals gemacht, wie uns eine Rekrutin erklärt. Dabei werden 3 verschiedene Kompetenzen getestet, unter anderem Ausdauer, Balance und Kraft.
Rekruten beim Sporttest (Foto: eigene Aufnahme)
Es wird später mit diesem Sporttest und weiteren Tests (zum Beispiel Gesundheits- und Psychische Tests) entschieden, welche Funktion man später im Militär haben wird. Mit einem guten Ergebnis hat man später mehr Auswahlmöglichkeiten. H.A meint: „Ich empfehle allen Frauen die Lust haben, ins Militär zu gehen. Es gibt so viele Funktionen und unterschiedliche Aufgaben, dass sicher jede eine Funktion findet, die zu ihr passt. Und auch wenn nicht, die Motivation sich zu dieser Funktion hinzuschaffen, ist sicher auch etwas. Es ist eine tolle Erfahrung.»
Nach einer kurzen Besichtigung von Speisesaal und Küche machen wir uns auf den Weg zu den Unterkünften, die wie eine Jugendherberge aufgebaut sind. Beim Eintreten eines 14er Männerzimmers, können wir uns umschauen. Es ist klein, jeder hat ein Bett und eine Ablage, und es gibt eine fixe Ordnung. Die drei Frauen schlafen aber in kleineren Zimmern, die sogar ein Waschbecken haben. Eine Rekrutin sagt: «Man trägt das gleiche und macht gleich viel Sport. Man wird komplett gleichbehandelt. Aber es gibt einzelne Sachen, bei denen ich sagen würde, ja da ist es anders wegen des Geschlechts. Die Zimmer sind zum Beispiel anders (Waschbecken und Grösse).»
Waffenkammer (Foto: eigene Aufnahme)
Später laufen wir mit den drei Frauen zum Waffen- und Lagerraum. Es sieht aus wie eine Garage und ist auch so eingerichtet. Hinten, etwas abgeschottet, sind alle Waffen. hier zeigen die Rekrutinnen uns die verschiedenen Gewehre, Pistolen und Handgranaten. «Es ist cool, dass wir als Personen so viel Verantwortung bekommen. Es gibt zum Beispiel Leute, die erst seit drei Wochen eine Waffe haben, und wir schiessen mit ihnen. Man muss viel Vertrauen mitbringen und das ist spannend. Es gab aber auch Momente, in denen wir etwas gezittert haben. Das gehört dazu», sagt M.S.
Wir machen uns auf dem Weg zum Panzer, denn wir dürfen mitfahren. Zwei Männer begrüssen uns. Im hinteren Teil sitzt man auf Sitzen, es gibt rundherum fast keine Fenster, nur kleine rechteckige Öffnungen. Im Innern verständigt man sich über Funkgeräte und Kopfhörer. Im vorderen Bereich befinden sich drei Sitze: ganz vorne der Fahrer, in der Mitte ein weiterer Passagier und dahinter die Person, die über die obere Luke mit dem Gewehr schießen kann.
Auf dem mittleren Sitz des Panzers. (Foto: eigene Aufnahme)
Während der Fahrt fiel es uns hinten schwer, uns zu orientieren, doch die Verständigung funktionierte problemlos. «Ich bin Gruppenführerin der Infanterie. Das heisst ich führe alle zum Kampf und befehle, wohin geschossen wird und in welchen Stellungen. Ich koordiniere alles, auch mit den anderen Gruppen», sagt H.A. Dies ist auch die Aufgabe von O.J.
Wir steigen nach ungefähr 15 min aus dem Panzer aus und blicken uns um. Wir stehen auf einer Wiese, etwas erhebt auf einem Hügel, und unter uns sind simple Häuser und Ruinen. Hier werden Simulationssituationen durchgeführt. «Ich habe mich für das Militär entschieden, weil ich etwas anderes machen und erleben wollte.» sagt H.A. «Man macht Sachen, die man sonst nicht machen würde», sagt O.J. «und man ist viel draussen.»
Ist alles positiv?
Simulationsdorf. (Foto: eigene Aufnahme)
In den letzten Jahren tauchten immer wieder Schlagzeilen auf von Sexismus im Militär. Eine Studie vom Bund im Jahr 2024 ergab, dass bei einer Umfrage mehr als 94 Prozent der befragten Soldatinnen angaben, im Dienst in irgendeiner Form sexuelle Belästigung erlebt zu haben. Deshalb interessierte uns auch was die drei Rekrutinnen dazu zu sagen hatten. "Wir hatten noch nie irgendwelche Probleme mit den Männern. Wir wurden immer respektiert.», erzählte uns eine der jungen Frauen. Diese Aussage hatten wir ehrlich gesagt nicht erwartet. In den letzten Jahren tauchten immer wieder Schlagzeilen auf von Sexismus im Militär.
Nach einer Recherche im Internet wurde uns klar: Die Meinungsunterschiede in den Kommentarspalten solcher Berichte über Belästigung im Militär waren gross. Diskutiert wurde, ob solche Probleme typisch sind für das Militär oder mehr die Gesellschaft widerspiegelt. Auch existiere Sexismus überall, in der Schule, im Berufsleben bis hin zu Sportvereinen und dass das Militär auch keine Ausnahme sei. Andere wiederum sahen es anders. Sie fanden, das Thema werde übertrieben dargestellt und man suche nur neue «Problemli».
Es ist aber Tatsache, dass das Militär Jahrzehnte lang nur etwas für die Männer war. Und auch wenn Frauen heutzutage alle Aufgaben und Posten übernehmen können, merkt man immer noch, dass diese Vergangenheit verankert ist, in den Köpfen der Leute. Wir sind jedoch auch der Meinung, dass das Problem mehr in den gesellschaftlichen Rollenbilder der Geschlechter liegt. Später sagt H.A: «Manchmal gibt es einen der einen dummen Spruch macht, aber mit dem muss man einfach klarkommen. Sonst ist man als Frau im Militär auch etwas am falschen Ort.» Hier spricht sie einen wichtigen Punkt an. Als Rekrutin/ Soldatin sollte man so etwas erwarten und vor allem genug Selbstbewusstsein besitzen, um sich von solchen Situationen nicht verunsichern zu lassen. Dennoch kann man keineswegs Überfälle und derartig respektloses Verhalten rechtfertigen und tolerieren.
Dass der Bund bis 2030 erreicht, dass 10 % der Soldaten Frauen sind, scheint für uns unrealistisch. Immer noch ist der Frauenanteil sehr gering und viele junge Frauen fühlen sich durch solche Nachrichten verunsichert und oder können sich nicht vorstellen, freiwillig ins Militär zu gehen. Doch die Frauen, die wir getroffen haben, sprechen oft äussert positiv über die Erfahrung.
«Das verändert eine schon»
Im Interview erzählten uns die jungen Frauen, dass das Militär sie nicht nur körperlich stärker gemacht hat, sondern auch mental. Sie gewannen an Selbstvertrauen, lernten Verantwortung zu übernehmen und sich auch durchzusetzen. Eine der zwei Gruppenführerinnen der Infanterie besuchte vor der Rekrutenschule eine Kantonsschule und sagte: «Im Gymi arbeitet jeder viel mehr für sich allein. Hier muss man vor die Leute hinstehen und das, was man weiss, erzählen.» Solche Erfahrungen zeigen, dass der Dienst einen auch persönlich sehr prägen. «Das verändert eine schon», schloss sie daraufhin noch an. Auch betonte ihre Kollegin, dass man im Dienst lernt anderen zu vertrauen.
Insgesamt sagten drei Rekrutinnen, dass die 17 Wochen Rekrutenschule sich sehr für sich persönlich gelohnt hätten. Es veränderte sie im positiven Sinn und sie lernten zu führen und über sich selbst hinauszuwachsen.
Fazit
Als wir am Ende des Nachmittags die Kaserne Birmensdorf verliessen, blieben uns neue Eindrücke hängen. Wir fanden alle Leute, die wir kennenlernten, sehr freundlich. Wir waren sehr erstaunt, wie geduldig, nett und ausführlich sie uns alles gezeigt und erklärt haben. Ebenfalls merkte man allen durch ihre Disziplin an, dass sie in diesen 17 Wochen Rekrutenschule und vieles erlebt und gelernt hatten. Unsere Sicht auf Frauen im Militär hat sich geändert: Im Militär gibt es sicher Herausforderungen, wie auch positive und lehrreiche, und lustige Erfahrungen. Es ist definitiv lebensverändernd.
Kaserne Birmensdorf (Foto: eigene Aufnahme)