Junge Leserinnen retten den Buchmarkt

Angetrieben von SocialMedia-Trends und Plattformen wie BookTok entdeckt eine neue Generation die Lust am Lesen. Der Trend verändert nicht nur den Buchmarkt, sondern auch, wie Geschichten geschrieben, vermarktet und erlebt werden.

Von Anja Schwab, Miki Schweizer & Yara Kälin / Kantonsschule Limmattal / November 2025

Auf dem deutschen Buchmarkt zeigt sich derzeit ein unerwarteter Trend: Jugendliche greifen wieder vermehrt zu Büchern und das nicht nur aus schulischer Pflicht. Laut aktuellen Zahlen kauften 2024 etwa zehn Prozent mehr 16- bis 19-Jährige Bücher als im Vorjahr, auch bei den 20- bis 29-Jährigen verzeichneten die Buchkäufe einen deutlichen Zuwachs.

Auslage einer Buchhandlung (eigene Aufnahme).

Im Buchhandel merkt man vor allem in den letzten 5 bis 10 Jahren einen grossen Unterschied im Kaufverhalten der Kundinnen und Kunden. Hauptursache sind moderne Genres wie New Adult oder Fantasy, die Themen wie Identität, Gemeinschaft und Abenteuer behandeln und bei Jugendlichen auf eine starke Resonanz stösst.

Dieses Phänomen wird auch im Verlagsprogramm deutlich. Verlage kündigen Neuerscheinungen mehrere Monate vor Erscheinen an und orientieren sich an den kurzlebigen Trends auf Social Media. Auch reagieren Verlage mit Beilagen zu den Büchern. Seien das Farbschnitte, Sonderausgaben, Wendecover, Illustrationen im Buch oder sogenannte Charakterkarten – auf denen zum Beispiel die Hauptcharaktere des Buches illustriert sind. Solche Faktoren regen Käufer an, sich die Bücher in der ersten Auflage zu kaufen, um von diesen Zusätzen zu profitieren.

Hinzu kommt, dass Bücher heute Teil sozialer Erlebnisräume geworden sind: In Communities wie TikTok oder unter Hashtags wie #BookTok tauschen junge Menschen Leseerfahrungen, Empfehlungen und Begeisterung aus und verstärken so das Lesen als Trend.

Ein bemerkenswerter Trend der letzten Jahre ist, dass Bewegungen wie BookTok – die Buch-Community auf TikTok – das Leseverhalten junger Menschen nachhaltig beeinflussen. Dabei spielen sogenannte Tropes eine zentrale Rolle. Tropes sind wiederkehrende Erzählmuster oder Motive, etwa «Enemies to Lovers«, «Found Family« oder «The One Bed Trope«, die Leserinnen (wir benutzen bewusst nur weibliche Pronomen, da die Zielgruppe in diesem Kontext überwiegend weiblich ist) sofort ein bestimmtes Gefühl oder eine Erwartung vermitteln. Auf BookTok dienen sie als schnelles Erkennungsmerkmal, um Bücher einzuordnen und gezielt nach bestimmten emotionalen Erlebnissen zu suchen.

Der BookTok-Hype hat nicht nur das Interesse junger Leserinnen am Lesen neu entfacht, sondern auch den Markt für E-Books und E-Reader stark belebt. Viele der auf TikTok gehypten Titel – besonders Romance- und Fantasy-Reihen – sind sofort digital verfügbar und oft um einiges günstiger als Printausgaben. Plattformen wie Kindle Unlimited spielen dabei eine zentrale Rolle: Sie ermöglichen unbegrenzten Zugriff auf tausende Bücher gegen eine monatliche Gebühr und senken so die Hemmschwelle, neue Autorinnen oder Genres auszuprobieren. Für junge Leserinnen, die Bücher direkt nach einem viralen TikTok-Video lesen wollen, sind E-Reader ideal; leicht, schnell verfügbar und perfekt für den impulsiven «BookTok-Kaufmoment.» Dadurch verschmelzen Social Media, digitales Lesen und Literaturkonsum zu einem neuen, dynamischen Leseverhalten der Generation TikTok. Trotz dem Hype um E-Reader geniessen viele Leserinnen immer noch das Stöbern in den Regalen, oft auch mit Freundinnen.

Buch mit einem BookTok-Sticker (eigene Aufnahme).

Da Booktok bei den Jugendlichen so ein grosser Hype ist, passt sich das Sortiment in den Buchhandlungen schnell an. Dabei gehen jedoch kleinere Autoren und Autorinnen schnell unter, die vielleicht qualitativ bessere Bücher geschrieben haben, aber nicht so wahrgenommen werden, wie Bücher, die auf Booktok bereits sehr gehypt wurden.

Ausserdem kann der rasche Konsum einen Druck auf Autorinnen ausüben. Erscheint beispielsweise der erste Band einer Reihe und kommt dieser besonders gut an, so ist die Erwartung besonders gross, dass die Folgebände an den Erfolg des ersten Bandes herankommen. Oder aus einer geplanten Trilogie werden fünf Bände, um mehr Profit erzielen zu können. Dies kann der Qualität der Folgebände erheblich schaden.

Was auch noch kritisch gesehen werden kann, ist, welche Inhalte in den Büchern publiziert werden, was als normal beschrieben wird und was nicht. Wenn in einem Buch zum Beispiel der weit verbreitete «I can fix him»-Trope verwendet wird, in der ein emotional unerreichbarer oder sogar toxisch handelnder männlicher Charakter allein durch die Liebe der Protagonistin plötzlich eine komplette Persönlichkeitsveränderung durchmacht. Dies kann falsche Erwartungen erzeugen. Jugendlichen wird dadurch vermittelt, dass problematisches Verhalten wie emotionale Kälte, Eifersucht oder schlechte Kommunikation durch Geduld oder die richtige Person heilbar ist.

Man muss da auch bedenken, wer diese Bücher und ihre Inhalte konsumiert und was sie den Leuten beibringen. Besonders Bücher mit Leseempfehlung ab 18 Jahren können problematisch sein, da sie triggernde Inhalte, explizite Sexszenen oder graphische Gewaltakte enthalten. Dieser Meinung ist auch eine junge Buchhändlerin, die wir im Orell-Füssli getroffen haben.

Jugendliche im Buchladen (eigene Aufnahme).

Jugendliche, die über soziale Medien ständig mit kurzen, leicht verdaulichen Inhalten konfrontiert sind, finden durch Tropes einen niedrigschwelligen Zugang zur Literatur. Die Videos auf BookTok vermitteln Emotionen, Humor und Begeisterung für Geschichten und schaffen damit eine neue Form der Lesemotivation. Statt über klassische Buchkritiken kommen Jugendliche über Identifikation, Fandom-Kultur und emotionale Schlagwörter zum Lesen zurück.

All dies führt dazu, dass Lesen für Jugendliche wieder attraktiver wird, nicht nur als Lernaufgabe, sondern als Freizeitaktivität mit eigener Bedeutung, Zugehörigkeit und Ausdrucksmöglichkeit.  aber über Freisprechanlage erlauben.»

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