Frauen können nicht so gut verhandeln und geben sich schneller zufrieden
Von Valerie Fahr & Anna-Giulia Feroldi / Klasse 5b, Gymnasium Freudenberg / November 2024
Die Zürcher*innen haben ihre Meinung zum Thema Gleichstellung geäussert. Dazu die Fakten von einer Expertin zu dem Thema.
Quelle: Education21
Die Gendermedizin, auch Frauenmedizin genannt, ist ein wichtiges Thema in der Medizin, aber auch in der Gleichstellung. Früher wurde die Medizin auf den stereotypischen 80kg-Mann ausgerichtet. Dies führte aber zu vielen Fehldiagnosen und Überdosierungen. Jetzt versucht die Medizin, sich auf den weiblichen Körper einzustellen.
Was ist Gendermedizin? Warum verdienen Frauen im Schnitt immer noch 20% weniger als ihre männlichen Kollegen? Wie oft wird ein Femizid versucht? 16 Zürcher und Zürcherinnen aller Altersgruppen wurden zu genau diesen Themen befragt. Corinna Hauri, juristische Sekretärin und stellvertretende Fachstellenleiterin der Fachstelle für Gleichstellung von Mann und Frau, äussert sich dazu.
Was verstehen Sie unter dem Begriff «Gendermedizin»?
14 von 16 Befragten wussten nicht, was Gendermedizin ist. Viele dachten, dass es um Geschlechtsumwandlung geht oder Ähnliches. Nur zwei deutsche Frauen, 33-jährig und 27-jährig, wussten, was Gendermedizin ist. Andere hatten Erklärungsbedarf.
Corinna Hauri sagt dazu: «Es ist suboptimal, dass es immer noch viele Fehldiagnosen gibt. Beispielsweise liegt das Risiko, dass eine Frau bei einem Herzinfarkt fehldiagnostiziert wird, immer noch 50% höher als bei einem Mann. Langsam wird es aber sicher ein Thema.»
Was denken Sie, wie viel verdienen Frauen weniger im Schnitt als Männer im gleichen Job?
Recherchen im Internet haben ergeben, dass Frauen 18% weniger verdienen und in höheren Positionen sogar bis zu 22%. Die meisten Passanten, die wir interviewt haben, lagen mit 20-30% gar nicht so weit daneben.
Frauen tendieren dazu, höhere Prozentschätzungen abzugeben, als es der Wahrheit entspricht. Von 10-40% war alles dabei. Männer lagen entweder weit darunter oder weit darüber. Es gab Antworten wie «mehr als die Hälfte» und «nur 5%». Die Gründe dafür gingen in die gleiche Richtung. Es kamen Aussagen wie «Frauen können nicht so gut verhandeln und geben sich schneller zufrieden», «Klassische Männerberufe werden besser bezahlt, weil sie früher die Ernährer waren und auf klassische Frauenberufe wird eher hinabgeschaut» aber auch «Frauen sind kritischer mit der eigenen Leistung. Männer finden öfter, dass sie eine Lohnerhöhung verdienen, Frauen sind eher vorsichtig» Zwei junge Schweizer, 17-und 18-jährig, meinten auch, dass es vielleicht an der Mutterschaft liegen könne, was sie keinen gerechtfertigten Grund finden, zudem sind die meisten höheren Posten eher männerdominiert.
Corinna Hauri: «Auf diese Frage gibt es mehrere Antworten. Einerseits unterbrechen viele Frauen ihren Werdegang oder arbeiten Teilzeit, sobald sie Mutter werden. So haben sie weniger Chancen, die Karriereleiter hochzusteigen. Andererseits werden «typische Frauenberufe», wie zum Beispiel Pflegeberufe schlechter bezahlt als «typische Männerberufe» wie IT. Dazu kommen noch die unerklärten Lohndifferenzen, welche mit Haltungsfragen zusammenhängen. Hinzu kommt noch, dass es in der Schweiz nicht üblich ist, über den Lohn zu sprechen. So merken sehr viele Frauen nicht, dass sie Kollegen in den gleichen Positionen gegenüber benachteiligt werden.»
Wie oft geschieht ein Femizid in der Schweiz und wie oft wird einer versucht?
Ein Femizid ist ein Mord an einer Frau aufgrund ihres Geschlechts. Studien belegen, dass in der Schweiz alle zwei Wochen ein Femizid gelingt und ein Mal pro Woche ein versuchter Femizid scheitert. Die Dunkelziffern sind nicht inbegriffen.
10 von 16 Befragten wussten nicht, was ein Femizid ist. Der Begriff hatte Erklärungsbedarf. Danach mussten die Passanten etwas länger überlegen und tätigten Aussagen wie «Oh keine Ahnung», «Schwierige Frage» und «Ich befasse mich nicht so mit diesem Thema, weil es furchtbar ist». Die Schätzungen fielen sehr hoch aus. Der Grossteil der Frauen dachte, dass jeden Tag ein Femizid passieren würde. Bei versuchten Femiziden wurden 3-mal bis 10-mal in der Woche geschätzt. Die Männer hingegen schätzten für die Femizide und Femizidversuche etwa gleich viel, nämlich zwischen 2 bis 6-mal pro Woche.
Corinna Hauri: «Ich denke, dass es mit traditionellen Frauen-und Männerbildern zu tun hat. Viele Frauen konnten es sich früher nicht erlauben, eine gewalttätige Beziehung zu verlassen, da sie finanziell von ihrem Partner abhängig waren. Heutzutage ist die Scheidungsquote höher, da die Frauen es sich heute eher leisten können sich zu trennen.»
Was lässt sich daraus folgern?
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Grundlage für die Gleichstellung gegeben ist. In den Gesetzen sind Männer und Frauen offiziell gleichgestellt, jedoch fehlt die Umsetzung. Frauen sind in dieser Gesellschaft mehr benachteiligt, als es sich bemerkbar macht. Wenn man sich aber mit dem Thema befasst, dann bemerkt man, dass ein Teil des Lohnunterschieds nicht erklärbar ist. Die einzige Erklärung dafür ist, dass die Menschen diese Tatsache ignorieren, sie akzeptieren oder es einfach nicht wissen. Hauri dazu: «Es braucht einen Wandel im Kopf der Leute.»